Qualitäts-Werkstatt Basel: Gewaltfreie Erziehung
- Raphaël Zimmermann
- 2. Juni
- 2 Min. Lesezeit
An der Qualitäts-Werkstatt vom 28. Mai 2025 wurden zentrale Fragestellungen rund um die Umsetzung und Konkretisierung des Grundsatzes der gewaltfreien Erziehung diskutiert.
Die aktuellen Bestrebungen des Bundesrats, den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung endlich ausdrücklich im Gesetz zu verankern, ist zu begrüssen. Die Eltern hätten gemäss Vorentwurf des Bundesrats «das Kind ohne Anwendung von körperlichen Bestrafungen und anderen Formen entwürdigender Gewalt zu erziehen» (Art. 302 Abs. 1, zweiter Satz E-ZGB). Zur Unterstützung betroffener Eltern und Kinder hätten die Kantone dafür zu sorgen, «dass sich die Eltern und das Kind bei Schwierigkeiten in der Erziehung gemeinsam oder einzeln an Beratungsstellen wenden können» (Art. 302 Abs. 4 E-ZGB). In der EU haben 23 von 27 Staaten das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich bereits verankert. Schweden als erstes Land bereits seit dem Jahr 1979.
Die gewaltfreie Erziehung ist ein umfassendes Konzept, das auf drei Säulen beruht: Prävention, Intervention und Sanktion. Die Säulen Intervention (KESB) und Sanktion (Strafrecht) erfahren durch den Vorentwurf des Bundesrates materiell keine Änderung. Praktisch erleichtert sich ihre Arbeit aber insofern, dass bei Gesprächen mit gewaltausübenden Eltern auf die neue Bestimmung verwiesen werden kann.
Die neue Bestimmung ist als programmatische Erziehungsleitlinie zu verstehen, an deren Verletzung keine direkten Rechtsfolgen geknüpft werden, weder in Bezug auf die Schwelle einer Meldung an die KESB noch bezüglich einer möglichen strafrechtlichen Verantwortung der Eltern. Programmatische Gebots- oder Verbotsleitlinien sind dem ZGB nicht fremd und beispielsweise auch in Art. 272 ZGB (familiäres Beistandsgebot) und Art. 274 Abs. 1 ZGB (elterliches Beeinträchtigungs- und Schädigungsverbot) vorgesehen.
Anlässlich der IGQK Qualitäts-Werkstatt wurden unter anderen folgende Fragen diskutiert:
Braucht es ein Gewaltverbot in der Erziehung überhaupt?
Sollten an die Verletzung der Leitlinie der gewaltfreien Erziehung nicht direkte (kindesschutz- oder strafrechtliche) Konsequenzen geknüpft werden, um eine grössere Wirkung zu erzielen?
Müsste die neben der körperlichen Gewalt mit der Wendung «andere Formen entwürdigender Gewalt» umschriebene Bereich der Gewalt nicht noch genauer definiert werden? Müssten nicht insbesondere die psychische und sexuelle Gewalt noch ausdrücklich erwähnt werden?
Müsste sich das Gewaltverbot nicht auch an andere mit Kindern befasste private und professionelle Personen richten (Angehörige, Dritte und z.B. Lehrpersonen)?
Wie kann die gewaltfreie Erziehung tatsächlich umgesetzt und die Anzahl Kinder, die Gewalt erfahren, substantiell reduziert werden? Konzepte? Vorgehensweisen? Strategien?
Wie müssten solche niederschwelligen Beratungsstellen aussehen? Insbesondere solche für Kinder? Existieren solche schon? Modelle? Konzepte? Strategien?
Wie können betroffene Kinder zukünftig besser erreicht werden?
Was braucht es gesellschaftlich sonst noch, um die Leitlinie der gewaltfreien Erziehung wirksam umzusetzen (andere präventive Massnahmen)?
Datum/Zeit
28. Mai 2025, 17:30 Uhr bis 19.00 Uhr, mit anschliessendem Apéro
Ort
Pfarrei St. Clara, Lindenberg 8, 4058 Basel
Zielgruppe
Die Qualitäts-Werkstatt adressiert Fachpersonen unterschiedlicher Professionen und Disziplinen des zivilrechtlichen, strafrechtlichen und freiwilligen Kindesschutzes mit Abklärungs-, Unterstützungs- und Entscheidungsaufgaben im Kindesschutz sowie weitere Interessierte.
Inputgeber:innen
Michel Wälte, Leiter Familien- Paar- und Erziehungsberatung
Stéphanie Bürgi-Dollet, Kinderschutz Schweiz
Patrick Fassbind, Präsident KESB BS und Vorstand IGQK
Moderation
Helga Berchtold, Mitglied IGQK
Patrick Fassbind, Vorstand IGQK
Kosten
keine
Format
Qualitäts-Werkstätten sind kleine, kostenlose Abendveranstaltungen zu relevanten Themen des Kindesschutzes. Sie werden von der IGQK an verschiedenen Orten der Schweiz in Zusammenarbeit mit Praxispartnern halbjährlich durchgeführt. Der Fokus dieses Angebots liegt auf Kurzinputs von geladenen Fachpersonen und der gemeinsamen Reflexion und Bearbeitung des gesetzten Themas mit allen Anwesenden.